Februar 28, 2023

Der internationale Flughafen von Chicago. Passagiere warten auf Sitzbänken am Gate. Internationale Schilder weisen Reisenden den Weg.

Grafikdesign als Fremdsprache

Während meiner Schulzeit habe ich oft die Simpsons auf Deutsch laufen lassen. Immer wieder gab es Dialoge, die mich aufhorchen ließen. Dann habe ich das gesagte gedanklich ins Englische übersetzt und gemerkt, wie die deutsche Übersetzung danebenlag. Oft wurde der kulturelle Kontext nicht übersetzt, sondern einfach nur die gesprochenen Worte und so ging der Sinn der Dialoge mehr oder weniger verloren.

Besonders auffällig ist das bei asiatischen Filmen. Diese werden beispielsweise erst von Japanisch ins Englische und dann wieder ins Deutsche übersetzt. Von Japanisch zu Englisch sind Fehler passiert und dann kommen von Englisch nach Deutsch nochmal weitere dazu. Paradoxien (logisch,philosophisch, …) sind häufig auf uneindeutige Sprache zurückzuführen. Im Gegensatz zum gesprochenen Wort kommuniziert das gelayoutete im besten Sinne universell. Interkulturelles Grafikdesign wirkt wie eine Fremdsprache, die jedermann verständlich ist.

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Der kulturelle Kontext von Kommunikation

Airline-Tickets, Diavorträge, Bücher, Radio- und Fernsehsendungen. Ausstellungen, Broschüren, Geschäftsunterlagen. Die Frischkäseverpackung in der Kühltheke, der Kaffeebecher in der Hand, das Auto vor der Tür. Der Stuhl, auf dem man zur Mittagszeit sitzt, die Anordnung der Häuser- und die Bäume in der eigenen Straße: Alles ist Design und alles wurde entworfen um einen Zweck zu erfüllen. Es handelt sich um verschiedene Darstellungsformen.

Universelles Design

Die grafische Auswirkung von Themen wie Mehrsprachigkeit, Multikulturalismus und Lokalismus sind für Unternehmen heute von großer strategischer Bedeutung. Design kann nicht allein kulturell anders ausgelegt werden. Auch jedes Individuum lebt in seiner eigenen Welt. Abgesehen vom Konsumenten interpretiert jeder Designer einzelne Designaufgaben anhand seines eigenen Erfahrungsschatzes. Gleichzeitig sprechen alle Designer der Welt durch die Anwendung von Grafikdesign-Prinzipien eine gemeinsame Sprache, wenn auch in unterschiedlichen Dialekten.

Satellitenkarte vom Königsplatz in München.

Die Analogie zur kartografischen Arbeit erleichtert das Verständnis.

Abbildung einer Satelittenaufnahme des Karolinenplatzes in München.

Wenn man Design einmal mit einer Landschaft vergleicht, so kann diese Landschaft auf verschiedenen Karten anders dargestellt werden.

Es werden jeweils unterschiedliche Eigenschaften des selben Geländes beleuchtet.

Abbildung einer Satelittenaufnahme des Karolinenplatzes in München.
Abbildung einer Satelittenaufnahme des Karolinenplatzes in München.

Alle Karten zeigen gleichzeitig die Wirklichkeit. Sie beleuchten unterschiedliche Aspekte derselben Sache.

Internationalisierung oder Lokalisierung

Das Anbieten einer zusätzlichen Sprachversion auf der Website wird häufig bereits als Internationalisierung bezeichnet. Doch aus Perspektive des Anwenders sollte es nicht primär um die Internationalisierung, sondern um die Lokalisierung des Angebots gehen. Individuen besitzen eine starke Tendenz, sich für Anwendungen zu entscheiden, die sich ursprünglicher, also intuitiver anfühlen.

Visuelle Wahrnehmung im Rahmen geläufiger Normen

Weiterentwicklung bestehender Standards

Im Laufe der Geschichte sah sich die Menschheit immer wieder gezwungen, fehlende Standards einzuführen und weiterzuentwickeln. Ein gängiger Standard existiert nur solange, bis er von einem neuen Standard abgelöst wird. Dies war beispielsweise bei der Zeitmessung der Fall. Die Astronomische Zeit galt viele Jahrhunderte für jeden Erdenbürger als das Maß der Dinge. Bis sich Atomuhren als präziserer Standard zur Terminvereinbarung durchsetzten.

Ungenauigkeit allgemeingültiger Regeln

Um für alle Menschen gleichzeitig gültig zu sein, müssen Standards grundsätzlich eine Anpassungskomponente enthalten. Wenn sich beispielsweise alle Menschen beratschlagen, um sich schließlich darauf zu einigen, dass ab heute die Uhr auf der ganzen Welt um 12 Uhr umgeschaltet wird, so würden sie ihren Entschluss vermutlich am nächsten Tag bereuen und feststellen, dass dies keine besonders gute Idee war. An einem Ort brennt die Sonne herab und woanders ist es noch stockdunkel. An einem Ort beträgt die Temperatur dann + 50 Grad Celsius, woanders dagegen – 15 Grad Celsius. Man kann keine allgemeingültige Regel finden, weil es tatsächliche regionale Unterschiede gibt. Deshalb muss ein allgemeiner Standard jeweils an lokale Bedingungen angepasst werden können.

Entstehung kultureller Missverständnisse

In unserem Kulturkreis steht die Farbe Weiß symbolisch für Reinheit. In Teilen Asiens kann sie hingegen Trauer bedeuten. In Brasilien gibt es weit mehr unterschiedliche Wörter für Farbtöne im blau-grünen Farbspektrum als in allen anderen Sprachen. Plappern und Vielreden (USA, Südeuropa) steht der Wortkargheit gegenüber in Japan, wo dem Schweigen zwischen den Wörtern eine entscheidende, sogar den Worten entgegengesetzte Bedeutung zukommen kann.

In asiatischen Ländern ist das Zeitgefühl ohnehin eher an der Vergangenheit orientiert (Vorfahren, Werte). In lateinamerikanischen, afrikanischen sowie südeuropäischen Ländern richtet sich die Wahrnehmung des Zeitgefühls eher an der Gegenwart und in Westeuropa sowie Nordamerika eher an der Zukunft aus. (Ziele erreichen usw.).

Kulturelle Zugehörigkeit und individueller Horizont

Kulturelle Aspekte beeinflussen das Grafikdesign und umgekehrt beeinflusst das Grafikdesign die Wahrnehmung kultureller Aspekte. Es besteht eine Wechselwirkung. Damit Unternehmen, Produkte oder sogar Ideen von einer Lokalisierung profitieren können sollte sich die eigene Blickrichtung ändern. Erst wenn man gedanklich in der Lage ist den jeweils anderen Standpunkt einzunehmen steigt das Verständnis für die Bedürfnisse und Anforderungen des Gegenübers.

Die Erdbevölkerung ist gespalten, durch unterschiedliche Ansichten, Sprachen, Dialekte, Traditionen und Bestrebungen. Dieser kulturelle Kontext tritt selbst auf der Ebene von Familien, Häusern, Stadtteilen, Städten, Ländern, Nationen oder Kontinenten auf. Die Beachtung des kulturellen Kontextes hilft dabei neue Informationen einzuordnen.

Ein Grafikdesigner muss die kulturellen Hintergründe seines Publikums kennen und bei seiner Arbeit berücksichtigen. Es geht bei einer authentischen Kommunikation nicht nur um die inhaltliche Sprache, sondern gerade auch um die Formulierung kultureller Aspekte. Gedanklich wechselt der Entwickler hin zum Selbst-betroffen-sein. Einerseits trägt er dabei seine eigene Geschichte mit sich und ist gleichzeitig Angehöriger einer kulturellen Einheit, die ihrerseits wiederum über eine eigene Geschichte verfügt. Carl Gustav Jungs Thesen über den Ursprung kreativer Gedanken, das kollektive Gedächtnis der Menschen, Träume, Ängste und anderes sind in diesem Zusammenhang lesenswert.

Der Zugang des Menschen zur Kunst

Vereinfacht beschrieben ergründet Carl Gustav Jung den Zugang der Menschen zur Kunst und zur eigenen Kreativität durch das Unterbewusstsein. Das kollektive Unterbewusstsein wird dabei von Menschen gebildet die jeweils ähnliches erlebt haben und über eine gemeinsame Historie verfügen. Menschen sind über gemeinsame Märchen, Religionen, Sagen, Ahnen und Heldenfiguren miteinander verbunden.

Diese Verbindung geschieht über ein kollektives Gedächtnis. Es wird selbst von den eigenen Vorfahren vererbt und verbindet Menschen, die sich nicht unbedingt untereinander kennen müßen auf einer höheren Ebene. Neue Informationen werden deshalb nicht allein bewusst wahrgenommen. Wenn uns etwas tiefergehend bewegt, dann lässt es sich nach Jung auf eine höhere Meta-Ebene zurückführen.

»Nicht wir haben Geheimnisse,
die wirklichen Geheimnisse haben uns.«

von Carl Gustav Jung

Die Website carl-g-jung.de beschreibt das Thema noch ausführlicher.

Reflexion von Standpunkten

Vom Betroffenen zum Entwickler, vom Zuschauer zum Handelnden und vom Pförtner zum Entdecker: Jeder Mensch bringt nach C.G. Jung seine eigene Geschichte mit und ist dabei gleichzeitig Angehöriger einer größeren Mehrheit. Laut Carl Jungs Theorie ist er neben seinen bewussten Anteilen angeschlossen an ein unbewusstes gemeinsames Netz: Das genannte kollektive Gedächtnis. Selbst wenn man sich nun über den Unterschied zwischen bewusstem und unbewusstem Denken vollkommen klar sein sollte, ist nicht immer zu differenzieren, welchen Anteil nun eigentlich die eigene Persönlichkeit ausmacht und welcher auf die Prägung des Umfelds oder der eigenen Historie zurückzuführen ist. Hier fängt das Thema an  interessant zu werden, denn es führt zu den jeweiligen Motiven.

Reflektierte Menschen sind sich möglicherweise ihres eigenen Hintergrundes bewusst. Ein unreflektierter Mensch wird dagegen eine vollkommen nüchterne Auffassung der Realität haben, die sich stark am Augenblick orientiert. Er ist sich weder über einen kulturellen Kontext bewusst, noch über die unbewusst beeinflussenden Faktoren. Vielleicht kauft er sich einen Fernseher so gigantisch groß wie die eigene Wohnzimmerwand. Dieses Model ermöglicht eine vielfach beworbene Bildwiederholrate in Höhe von 800 Hz. Doch derartig hohe Interpolationen sind nur ein Werbetrick und tatsächlich komplett unnötig, da dass menschliche Auge nur bis zu 100 Bilder pro Sekunde wahrnehmen kann. Die hohe Interpolationsart kann darüberhinaus sogar störend werden, wenn sie Bildartefakte produziert. Es ist noch nicht so lange her, da die ersten Digitalkameras fast ausschließlich über die Angabe der Megapixel Anzahl verkauft wurden. Es dauerte einige Zeit bis sich die Erkentnis durchsetzte, dass die Megapixelangabe nicht alleine ausschlaggebend für die Bildqualität ist. Wahrscheinlich wird die Freude über den neuen Fernseher daher auch nicht von langer Dauer sein, sondern bald wieder durch einen neuen Wunsch abgelöst werden.

Interkulturelles Grafikdesign

Ein großes Problem in der visuellen Kommunikation ist häufig ein Mangel an Verständnis für die unterschiedlichen Standpunkte. Dies kann schon mit der Annahme beginnen, dass weltweit die gleiche preisfixierte Werbung die Gemüter bewegt und überall die selben Parolen und Slogans die Menschheit immer wieder in den gleichen Massen antreiben.

Eine Verbesserung dieser Situation kann nur durch lokale Designer stattfinden, die verhindern, dass allzu banale Dinge ihren Arbeitsplatz verlassen. Oder mindestens vorher in eine annehmbare Sprache übersetzt werden. Um die Auswirkungen negativer Kommunikation zu sehen, reicht es für den Anfang schon, sich beispielsweise bei einem Arztbesuch einmal die Werbung in geläufigen Magazinen durchzublättern. Es sind doch immer wieder die gleichen abgedroschenen und einfallslosen Ansagen, naiv lächelnde Personengruppen und ähnliche Motive, die von den meisten Lesern einfach überblättert werden.

Lokalisierung oder Internationalisierung.

Wenn ein Angebot einem erweiterten Nutzerkreis verfügbar gemacht wird stellt sich immer die Frage, ob eine Anpassung an lokale Erfordernisse und Gewohnheiten erwünscht ist, oder ob nur ein minimaler Lokalisierungsaufwand angestrebt wird, der üblicherweise in Übersetzungen und Internationalisierung besteht. Manche Firmen versuchen die selben Dinge global exakt auf die gleiche Art und Weise zu vertreiben. Dabei ist manchmal zu merken, dass ein Lokalkolorit fehlt und die gute ursprüngliche Idee auf neuen Märkten nicht zünden will. Wenn also die Vermutung naheliegt, dass die eigene Kommunikation unter der oberflächlichen Umsetzung einer Botschaft leiden könnte sollte man idealerweise ein regional verwurzeltes Designteam für die Umsetzung gewinnen. Ein erfahrenes Designteam wird durch seine Arbeit zeigen, dass die Botschaft lokal angemessen transportiert werden kann. Sie erkennen die kulturellen Unterschiede, die lokalen Erwartungen, die regionalen gesetzlichen Anforderungen und all diese Dinge, die das eigene Angebot tatsächlich fördern oder sogar beschädigen können.

Interkulturelles Grafikdesign

Im Unterhaltungs- und Medienbereich habe ich über viele Jahre Layouts, Wireframes, Prototypen, Icons und Key-Visuals entwickelt. Dabei habe ich gelernt, worauf es bei der Gestaltung für unterschiedliche Kulturen ankommt. Was meinen Weg geprägt hat, war immer die Neugier gegenüber Anderen. Erst als ich selbst viel gereist bin, habe ich begonnen kulturelle Unterschiede und die lokalen Lebensweisen tatsächlich zu verstehen. Interkulturelles Grafikdesign wird nicht von bestimmten Kulturen definiert, sondern bezieht sich gerade auf kulturelle Differenzen, die in unterschiedlichster Weise und Ausmaß in jeder Gruppe von Menschen vorkommen.

Über den Autoren

Stephan Bender

Meine Aufgabe besteht darin Qualität zu visualisieren und die Kommunikation von Menschen und Marken zu verbessern, damit die Botschaften so geschärft werden, dass sie bei der Zielgruppe einen optimalen Eindruck hinterlassen kann.

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